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 Gestaltungs frage 05.03.2005 (19:56 Uhr) kleene
Grüßt euch,

im Oktober 04 habe ich eine 160cm großen Ficus natalensis
geschenkt bekommen, war in einem sehr schlechten zustand(fast vertrocknet). Nachdem ich ihn erstmal im Regenfass 2std. tränkte und in mein Bad vor die Terrassentür stellte, verlor er täglich 10-20 Blätter. Im November küzte ich ihn um ein drittel, war ja leider nicht anders möglich. 2 Wochen später bekam er einen Wurzelschnitt und zum anreiz meine schönste Bonsaischale. Bis Januar kränkelte er vor sich hin, bis ich mit Kompossthaufen drohte. Nun 2 Monate später wächst er wie verrückt. So das ich mir über seine zukünftige Form garnicht mehr sicher bin.

Es sind 2 Stämme, einer teilt sich und dann Verzweigungen bis zur Krone und unmengen neue Blätter + Triebe.
Würde Euch gern ein Foto schicken, klappt aber nicht. Konnte ein Foto finden wie er vielleicht in 5-10 Jahren aussehen könnte (ähnlichkeit nur bei zugekniffenen Augen)
http://www.bonsaiandsuiseki.com/images/natalensisbis.jpg
Kleene
Zuletzt geändert von kleene am 05.03.2005 um 20:04 Uhr.
 Re: Gestaltungs frage 07.03.2005 (10:21 Uhr) Andy-II
Hi Kleene

eigentlich hast du das schon gemacht, was man dir raten kann - mit ähnlichen Bäumen verglichen. Natürlich gibts «Regeln» - bei Doppelstämmen sollte einer immer dünner sein als der andere und weniger hoch reichen etc. - aber ich frage mich manchmal, ob es richtig ist, wenn wir in Europa sklavisch japanische Stilregeln befolgen. Eine Grundsatzfrage, die weiter führt, als hier Platz ist...

Ich halte mich auch eher zurück mit Gestaltungstipps. Weil ich den Baum nicht vor mir habe, nicht sehen und drehen kann, all die Kleinigkeiten und Feinheiten nicht ergründen kann, auf die es auch ankommt. Dann auch, weil ich es eigentlich Ehrensache finde, die Beziehung zwischen Baum und Gestalter nicht durch gut gemeinte Zwischenrufe zu stören. Du weisst ja - «das gut Gemeinte ist der Feind des Guten». (Ich habe zwar gerade etwas über einen Ast geschrieben, den Christoph gedrahtet hat. Aber wenn du es anschaust, ist es bloss ein Plädoyer für den Ast, nicht ein Gestaltungsrezept.)

Ich finde, du hast sehr gut angefangen. Du hast als gute Gärtnerin den Baum «wieder geholt». Jetzt hast du eine Schwellenangst, die ich kenne: «Schneiden ja, aber wo ansetzen; was, wenn ich etwas falsch mache?» Diese Angst weicht der starken Überzeugung, was das Richtige ist, wenn du deinen Baum wieder und wieder anschaust. Plötzlich siehst du es, wie es sein kann, sein soll, sein muss.

Und ich glaube, das kannst du - zusammen mit deinem Baum.
:o)

Andy
Zuletzt geändert von Andy-II am 07.03.2005 um 10:40 Uhr.
 plädoyer für meinen ast :-) 07.03.2005 (12:11 Uhr) christophII
hi andy...
ehm. mich würde auch eine meinung zur gesamtgestaltung interessieren... eigentlich nur um meinen ideenhorizont zu erweitern, wie man an die gestaltung herangeht, was dann schlussendlich sehr individuell ist..
gruss christoph
 Re: plädoyer für meinen ast :-) 07.03.2005 (14:27 Uhr) Andy-II
Hi christoph

na - wenn du mich denn zwingst... *g*

Wie erwähnt, finde ich es schwierig, Abbilder von Bäumen zu kommentieren. Bäume sind raumgreifend, nicht zweidimensional.

Deinen Ast habe ich trotzdem kommentiert, weil ich den Eindruck hatte, es geht um etwas ganz Grundlegendes. Du hast ins Feld geführt, er rage zu weit aus der Silhoutte heraus. Dich stört sein langes, kahles Holz. Das kann ich nachvollziehen, aber ich hätte es nicht zum Hauptkriterium gemacht. Für mich steht im Vordergrund, dass er die Schwingung des Stamms abfängt. Er bildet ein optisches Gegengewicht, einen Kontrapunkt. Sicher hat er etwas «dissidentes», aber ich finde, gerade das bringt eine schöne Spannung in das Gesamtbild.

Damit sind wir bei meiner Auffassung und da könnte ich natürlich endlos weiterschreiben. Das wäre ermüdend, Schweigen dagegen nicht sehr hilfreich. Ich versuche darum, ein paar wichtige Punkte herauszugreifen. Frag ruhig nach, dazu ist so ein Forum ja da.

Ich versuche, drei Dinge in eine Gestaltung zu bringen: Natürliche Wirkung, Gleichgewicht und Spannung. Natürliche Wirkung ist ein unendliches Gebiet, darum bin ich skeptisch gegenüber den «klassischen Stilrichtungen», die (vielleicht typischerweise in Japan) formuliert wurden. Nichts gegen frei aufrechte Bäume, Besenformen und «Vater und Sohn»-Gestaltungen - aber ich sehe immer wieder grosse Bäume, die gegen alle Regeln verstossen und schön sind. Und bitte - selbst der eher strenge Horst Stahl bildet in seinem Meisterkurs-Buch voller Bewunderung einen Baum ab, der Halbkaskade und frei aufrechte Form verbindet. Wenn es glücklich gelingt, ist die Antwort «Warum nicht?» auf die Frage «Warum?» erlaubt. Sonst können wir die endgültigen Bonsai in Bronze giessen und aufhören.

Gleichgewicht ist nötig in Verbindung mit Natürlichkeit, das wird einleuchten. Sieht ein Baum aus wie frisch gefallen, glaubt man nicht, dass dieser Zustand währen kann und schon gar nicht, dass er bereits lange währte. Grosse Bäume arbeiten ständig an ihrem Gleichgewicht. Verlieren sie einen Ast, füllt sich die Lücke, wird Terrain weggespült, wachsen Wurzeln zur Kompensation, fällt ein Stamm, wachsen aufrechte Triebe neu nach oben. Bäume haben die Füsse in der Erde und streben zum Licht - aus dieser einfachen Tatsache wird immer ein Gleichgewicht, auch wenn es eines ist, das auf den ersten Blick sehr überrascht.

Spannung ist eine Bedingung, die sicher der Grafiker in mir hoch bewertet. In der Kunst ist es die Spannung, die sie vom Kitsch trennt. Reine Harmonie ist unerträglich banal. Nach der ersten Begeisterung kommt schnell Langeweile auf - Ebenmass fesselt auf Zeit nicht. Schön ist einfach schön - na und? Spannung kann auf viele Arten entstehen - durch eine scheinbare Störung des Gleichgewichts (eher eine raffinierte Verschiebung wie der erwähnte «frei aufrechte Halbkaskadeur») oder durch eine «Geschichte». Narben, Spuren von Einflüssen - das sind die Spannungen, die mich an grossen Bäumen fesseln. So wie dein Ast - der ist herausragend im Wortsinn, das regt an, darüber nachzudenken, ob vielleicht im Moment, als der Stamm gebogen wurde, gerade dieser Ast nach aussen wuchs wie ein haltsuchender Arm...

Dein Ast verstösst nicht gegen die Natürlichkeit, zumal er sich - wie bei den grossen Bäumen auch - verändern und weiter begrünen wird. Er hilft dem Gleichgewicht, der Baum «braucht» ihn, mindestens optisch. Er bringt Spannung. Also ist er gut.

Der Rest - die Gesamtgestaltung - lässt sich glücklich an, finde ich. Klar kann man sagen, hau dies ab, trenne da, moose da ab. Ich lasse das, weil ich finde, man kann diesen Baum so ernst nehmen, wie er ist. Natürlichkeit ist das weitere Feld als persönlicher Geschmack...

So - das war ein ganzer Haufen Philosophie. Jetzt brauche ich ein Bier.

:o)
Andy
Zuletzt geändert von Andy-II am 07.03.2005 um 14:34 Uhr.
 na dann prost 07.03.2005 (16:12 Uhr) christophII
hi andy
hab nach ein paar bieren, den baum länger betrachtete und habe den ast wieder zurück versetzt. jetzt habe ich aber gesehen, dass es von der (noch) rückseite auch gut aussehen könnte. was dann mehr den "regeln" gehorchen würde, dass die unteren Äste eher nach hinten wachsen..mal schauen wie lange mir das gefällt.. aber ich versuch mal mehr auf das gleichgewicht zu achten... danke jedenfalls für den excurs... werde dann mal das resultat posten.

Hi christoph

>
> na - wenn du mich denn zwingst... *g*
>
> Wie erwähnt, finde ich es schwierig, Abbilder von Bäumen
> zu kommentieren. Bäume sind raumgreifend, nicht
> zweidimensional.
>
> Deinen Ast habe ich trotzdem kommentiert, weil ich den
> Eindruck hatte, es geht um etwas ganz Grundlegendes. Du
> hast ins Feld geführt, er rage zu weit aus der Silhoutte
> heraus. Dich stört sein langes, kahles Holz. Das kann ich
> nachvollziehen, aber ich hätte es nicht zum
> Hauptkriterium gemacht. Für mich steht im Vordergrund,
> dass er die Schwingung des Stamms abfängt. Er bildet ein
> optisches Gegengewicht, einen Kontrapunkt. Sicher hat er
> etwas «dissidentes», aber ich finde, gerade das bringt
> eine schöne Spannung in das Gesamtbild.
>
> Damit sind wir bei meiner Auffassung und da könnte ich
> natürlich endlos weiterschreiben. Das wäre ermüdend,
> Schweigen dagegen nicht sehr hilfreich. Ich versuche
> darum, ein paar wichtige Punkte herauszugreifen. Frag
> ruhig nach, dazu ist so ein Forum ja da.
>
> Ich versuche, drei Dinge in eine Gestaltung zu bringen:
> Natürliche Wirkung, Gleichgewicht und Spannung.
> Natürliche Wirkung ist ein unendliches Gebiet, darum bin
> ich skeptisch gegenüber den «klassischen Stilrichtungen»,
> die (vielleicht typischerweise in Japan) formuliert
> wurden. Nichts gegen frei aufrechte Bäume, Besenformen
> und «Vater und Sohn»-Gestaltungen - aber ich sehe immer
> wieder grosse Bäume, die gegen alle Regeln verstossen und
> schön sind. Und bitte - selbst der eher strenge Horst
> Stahl bildet in seinem Meisterkurs-Buch voller
> Bewunderung einen Baum ab, der Halbkaskade und frei
> aufrechte Form verbindet. Wenn es glücklich gelingt, ist
> die Antwort «Warum nicht?» auf die Frage «Warum?»
> erlaubt. Sonst können wir die endgültigen Bonsai in
> Bronze giessen und aufhören.
>
> Gleichgewicht ist nötig in Verbindung mit Natürlichkeit,
> das wird einleuchten. Sieht ein Baum aus wie frisch
> gefallen, glaubt man nicht, dass dieser Zustand währen
> kann und schon gar nicht, dass er bereits lange währte.
> Grosse Bäume arbeiten ständig an ihrem Gleichgewicht.
> Verlieren sie einen Ast, füllt sich die Lücke, wird
> Terrain weggespült, wachsen Wurzeln zur Kompensation,
> fällt ein Stamm, wachsen aufrechte Triebe neu nach oben.
> Bäume haben die Füsse in der Erde und streben zum Licht -
> aus dieser einfachen Tatsache wird immer ein
> Gleichgewicht, auch wenn es eines ist, das auf den ersten
> Blick sehr überrascht.
>
> Spannung ist eine Bedingung, die sicher der Grafiker in
> mir hoch bewertet. In der Kunst ist es die Spannung, die
> sie vom Kitsch trennt. Reine Harmonie ist unerträglich
> banal. Nach der ersten Begeisterung kommt schnell
> Langeweile auf - Ebenmass fesselt auf Zeit nicht. Schön
> ist einfach schön - na und? Spannung kann auf viele Arten
> entstehen - durch eine scheinbare Störung des
> Gleichgewichts (eher eine raffinierte Verschiebung wie
> der erwähnte «frei aufrechte Halbkaskadeur») oder durch
> eine «Geschichte». Narben, Spuren von Einflüssen - das
> sind die Spannungen, die mich an grossen Bäumen fesseln.
> So wie dein Ast - der ist herausragend im Wortsinn, das
> regt an, darüber nachzudenken, ob vielleicht im Moment,
> als der Stamm gebogen wurde, gerade dieser Ast nach
> aussen wuchs wie ein haltsuchender Arm...
>
> Dein Ast verstösst nicht gegen die Natürlichkeit, zumal
> er sich - wie bei den grossen Bäumen auch - verändern und
> weiter begrünen wird. Er hilft dem Gleichgewicht, der
> Baum «braucht» ihn, mindestens optisch. Er bringt
> Spannung. Also ist er gut.
>
> Der Rest - die Gesamtgestaltung - lässt sich glücklich
> an, finde ich. Klar kann man sagen, hau dies ab, trenne
> da, moose da ab. Ich lasse das, weil ich finde, man kann
> diesen Baum so ernst nehmen, wie er ist. Natürlichkeit
> ist das weitere Feld als persönlicher Geschmack...
>
> So - das war ein ganzer Haufen Philosophie. Jetzt brauche
> ich ein Bier.
>
> :o)
> Andy

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